Unser lieber Deutsch-LK

Wie wohl den wenigsten entgangen sein konnte, gesellte sich zu den bisher existierenden Religionen dieser Schule eine neue. So haben wir jetzt neben den unglaubhaften, gläubigen Christen, überzeugten Heiden und Atheisten, Legastynikern, und Neureichen auch noch die Deutsch-LKler. Für alle die, die nicht wissen wer sie sind: man erkennt sie unschwer an dem leicht obszönen Lächeln. Diese aus dem Untergrund des zwölften Jahrgangs erwachte Spezies nahm sich das Recht heraus keinen Versprecher ungestraft, oder besser, uninterpretiert zu lassen. Zugegeben, die Interpretationen sind häufig etwas einseitig, was auf der einen Seite an dem unbefriedigten Verlangen nach Perversion liegen könnte, oder aber daran, daß sich die Gruppe noch nicht tiefer mit Sigmund auseinander gesetzt hat. Die Ergebnisse sind jedoch höchst erstaunlich und selbst ein Laie muß sich sehr bald die Frage stellen: "Ist die Menschheit wirklich so versaut?" Nun, die Antwort liegt nahe. "Ja, sie ist es, und wir sind stolz darauf."

Und so interpretieren sie weiter, aus Spaß an dem Freud. Und während der Ex-Schulsprecher in seiner von Stiften überfüllten Federmappe nach einem Bleistift sucht und, nachdem er fündig geworden ist, resignierend auf diesen Stummel, der kaum größer als sein Daumennagel ist, guckt, und dabei an seine Potenzstellung in dieser Schule denkt, erinnert sich der Geo-Lehrer nicht ohne Emotionen (Erektion?) an die feuchten, dunklen Schächte eines Wasserwerkes im skandinavischen Bergland.

Ihr Lehrer und Messias wird von den einen angebetet und vergöttert, von den anderen jedoch verleugnet. Dennoch, folgen tun sie ihm alle und während die einen nicht nur einen seelischen Strip-tease verlangen, machen die anderen sich auf die Suche nach dem roten Faden in ihrem Leben. Es soll sogar schon Bekehrungsseminare geben, auf denen die Heiden zu diesem tollen Glauben verführt werden sollen. Und je mehr sie sich gegen die neue Welle auflehnen wollen, desto schneller werden sie überzeugt.

Doch wo soll das nur enden? Erinnern wir uns noch mal an die Sonnentempler, die eine Rose anbeteten und vor noch nicht allzulanger Zeit in der Schweiz Feuer fingen, oder an den guten David, der sich für Jesus hielt, mit Handgranaten und Maschinengewehren eindeckte und 1992 in Waco, Texas, das amerikanische Sonderkommando ATF dezimierte, bevor auch er und seine Anhänger alle Feuer und Flamme waren.

Doch der Deutsch-LK ist anders! Völlig friedlich befassen sie sich mit Märchen, lesen sich gegenseitig Gedichte vor und nur dann und wann, zwischen Phallussymbolen und Sexwellen, wird meditiert. Wo den Gefühlen so freien Lauf gelassen wird ist es kein Wunder, daß so mancher Anhänger sich in den langweiligeren Stunden die Zeit damit vertreibt, die überaus erotische Handhabung des Kugelschreibers beim Lehrer zu interpretieren oder aus der Art wie sie die Banane ißt, Rückschlüsse zu ziehen, die beim nächsten Date hilfreich sein könnten. Auch wenn er mit viel Hingabe und Enthusiasmus Reagenzgläser schüttelt, wird dies seine Gründe haben.

Doch wie bei jeder Sache gibt es auch hier Neider und Gegner. Zum einen sind es jene, die selbst keine Rückschlüsse aus dem Verhalten anderer ziehen können und zum anderen sind es solche die nicht gern durchschaut werden und ihren Geist egoistischerweise nicht öffentlich von den sexbesessenen Amateurphilosophen analysiert haben wollen. Dabei ist es doch so hilfreich für sie selbst! Wenn nun zum Beispiel das Lieblingsessen von Herrn H. "Forelle blau" ist, so kann ein aufmerksamer Ministrant daraus den Schluß ziehen, daß Herr H. eine Sado-Maso-Liebe bevorzugt. Endlich ist es raus und von nun an kann er auch gleich die Peitsche aus Nilpferdleder mitbringen; vielleicht findet er ja ihm Gleichgesinnte. Dafür jedoch kann der Deutsch-LK nicht garantieren. Also, am besten wehren Sie sich nicht gegen die mitreißende Welle. Wozu auch, sie holt Sie ja doch ein.


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